Biedermann und die Brandstifter
»Theater als moralische Anstalt mit fast unmoralisch amüsanten Mitteln« nannte die Schweizer Weltwoche diesen zeitlosen, zum Welterfolg gewordenen Klassiker des modernen Theaters, dessen »Aktualität wohl nie aufhören wird« – so Literaturwissenschaftler Walter Hinck.
Herr Biedermann ist ein Virtuose der Vertrauensseligkeit. Obwohl die Gefahr durch die vie-len Brände in der Stadt offensichtlich ist, schaut er den beiden Männern, die brennbares Material in sein Haus tragen, schlicht zu. Als sie ihn nach einem Streichholz fragen, denkt Biedermann »Na, sie werden das Haus ja schon nicht anzünden«. Man soll schließlich nicht immer gleich das Schlimmste annehmen, wenn man einen Menschen nicht kennt! Dann sieht er weiter zu – bis das Haus in Flammen steht.
Max Frisch hat dem Drama den beunruhigenden wie warnenden Untertitel ´Ein Lehrstück ohne Lehre´ gegeben. Einerseits als allgemeingültiges Beispiel für die, die sich lieber heraushalten, bis sich die Lage so zugespitzt hat, dass sie nicht mehr aufzuhalten sind. Andererseits auch für die weltweit agierenden, Lunte legenden Brandstifter, die von Anfang an deutlich machen, dass sie einen Flächenbrand vorbereiten. So entlarvt das Stück eine Geisteshaltung, die der Technik des Totalitären zum Erfolg verhilft. Es stellt die Frage: Wer ist eigentlich schuld, wenn wir uns betrügen lassen: Wir selbst oder die Betrüger?
»Der Zeitgenosse Biedermann holt die Brandstifter selbst ins Haus. Er leistet dem Schlimmen immer wieder Vorschub. Aus falschem Biedersinn und Herzensfeigheit reicht er dem Brandstifter sogar die Streichhölzer. Trotzdem will er nicht wahrhaben, dass er mitschuldig ist – im Grunde der Schuldigste von allen…«
Die Welt
Schauspiel
Ein Lehrstück ohne Lehre
von Max Frisch
Mit Peter Bause, Hellena Büttner u. a.
Regie: Harald Demmer
Schauspielbühnen Stuttgart, Altes Schauspielhaus
Stückeinführung um 19.30 Uhr im Kleinen Saal