TRIAL BY JURY
Das Schwurgerichtsverfahren
GIANNI SCHICCHI
Juristischer Operndoppelabend
von Gilbert & Sullivan
und Giacomo Puccini
VERY BRITISH Kenner halten das
Erstlingswerk Trial by Jury (1875) für das
beste Stück des berühmten englischen
Operettenduos Gilbert & Sullivan; der
Markenkern ihrer späteren Erfolgswerke
wie Die Piraten von Penzance oder
Der Mikado ist hier bereits enthalten.
Gilbert, der selbst einige Jahre als
Anwalt gearbeitet hatte, nimmt die
englische Gerichtsbarkeit und die
Heuchelei der viktorianischen Upper
Class liebevoll aufs Korn. Wenn sich
Richter, Klägerin und Angeklagter
in ihren Auftrittsarien vorstellen,
sprechen sie ungeniert genau das
aus, was die gesellschaftliche Etikette
eigentlich verbietet. Die Handlung
besteht aus einer Verhandlung vor einer
unparteiischen Jury: Lebemann Edwin
muss sich vor Gericht verantworten,
weil er sein Eheversprechen gebrochen
hat. Die Braut rauscht im Hochzeitskleid
samt ihren Brautjungfern herein und
klagt ihren Bräutigam an. Dessen
Verteidigung basiert auf dem Argument,
dass ihm die Liebe zu einer einzigen
Frau irgendwann langweilig geworden
sei. Die Glanzpartie des Stückes ist
die des Richters, der am Schluss die
verlassene Braut einfach selbst heiratet.
Sullivan lieferte für diese Musiksatire
einen rhythmisch tänzerischen und
volkstümlichen Ton.
MOLTO ITALIANO Im zweiten Teil
dieses rasanten juristischen Operndoppelabends geht es von London nach
Florenz.
Im Mittelpunkt der Handlung von Gianni
Schicchi steht eine Testamentsfälschung. Auf dem Sterbebett enterbte
der steinreiche Buoso Donati seine
Angehörigen, um all seinen Besitz der
Kirche zu vermachen. Doch der listige
Gianni Schicchi hat eine Idee, wie die
habgierige Familie trotzdem noch an
dessen Erbe kommen kann. Da noch
niemand vom Tod des Alten weiß,
schlüpft Schicchi einfach selbst in
dessen Bett und mimt den Sterbenden,
der seinem Arzt weismacht, dass es
ihm besser geht und dem Notar eine
Testamentsänderung diktiert. Die fällt
jedoch ganz anders aus, als es sich die
Verwandten erhofft hatten...
Die Oper Gianni Schicchi beruht auf
einer Episode aus Dantes Göttlicher
Komödie. In seiner einzigen BuffoOper, die als Einakter zum Il Trittico
(1918) gehört, beweist Puccini, dass er
neben dem großen Operndramatiker
auch ein bitterböser Humorist ist;
Gianni Schicchi ist eine hinreißende
Erbschleicher-Komödie im Gewand der
Comedia dell’arte